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Endlich Urlaub – aber wo in Frankreich verbringt man ausgerechnet im August, der Lieblingsreisezeit der Franzosen, die schönsten Wochen des Jahres? Eigentlich sollte es wieder einmal in die Bretagne gehen, aber zur absoluten Hochsaison wollten wir uns den dort zu erwartenden Touristenrummel nicht antun. Atlantikküste, Provence, Côte d’Azur? Genauso heißbegehrt in den Sommerferien. Périgord? Waren wir gerade erst zweimal und uns stand der Sinn danach, etwas Neues zu entdecken. Aber da gab es doch dieses dünn besiedelte Gebiet im Herzen Frankreichs (nur 50 Einwohner / km²), mit faszinierender Vulkanlandschaft und – wenn man dem Band „Asterix und der Avernerschild“ Glauben schenken darf – nuschelnden Menschen: die Auvergne! Touristisch nur spärlich erschlossen, ist die Auvergne dennoch eine der Regionen Frankreichs mit der höchsten Fremdenverkehrs-Zuwachsrate. In der Auvergne wollten wir also sowohl wundervolle Natur, reizvolle Ruhe als auch „La France profonde“ – das ursprüngliche Frankreich entdecken.

Murat und Umgebung

Aber die Auvergne ist so klein nicht. Mit einer Fläche von 26.000 km² liegt sie im Mittelfeld der französischen Regionen. Und die vier Departements Allier, Cantal, Haute-Loire und Puy-de-Dôme haben alle ihre eigenen Reize als Reiseziele. Wo sollte unser Quartier sein und welche Unterkunftsmöglichkeiten gibt es überhaupt? Nach Recherchen in Reiseführern und auf Webseiten kristallisierte sich das mit 26 Einwohnern pro km² noch dünner besiedelte Cantal im Südwesten der Auvergne heraus.
Das Cantal schien landschaftlich nicht zu karg zu sein, sondern schön grün und dennoch inmitten der Vulkanketten Monts Dore und Monts du Cantal gelegen. Unterkunft sollte auf jeden Fall wieder ein Chambre d’hote sein, also die französische Variante des Bed & Breakfast. Es gibt natürlich auch in der Auvergne Ferienunterkünfte aller Art, vom Campingplatz, über Hotels und Ferienwohnungen. Aber Frankreich hautnah erleben, das klappt am besten in einem Privatzimmer. Solche Unterkünfte sind häufig in charaktervollen, alten Herrenhäusern oder Bauernhöfen zu finden. Familienanschluss ist garantiert und oft gibt es gemeinsame Mahlzeiten mit den anderen Gästen und den Wirtsleuten an einem Tisch. Wir wurden im winzigen Örtchen Gaspard in der Nähe des kleinen Städtchens Murat fündig und kündigten uns für zwei Wochen bei unseren Gastgebern Joelle und Denis an.

Über die Autobahn Paris – Orléans – Clermont-Ferrand gelangt man recht zügig in die Auvergne, und als die ersten Vulkankegel kurz vor Clermont-Ferrand am Horizont auftauchten, schlug die Begeisterung schon hohe Wellen. Unser Dorf Gaspard war dank der Vor-Recherche in Google-Maps schnell gefunden. Anlässlich der Tour de France war kurz zuvor genau diese Gegend von Google-Streetview erfasst worden und wir erkannten die Kreuzung mit dem Abzweig nach Gaspard auf Anhieb wieder, ohne sie jemals in Natura gesehen zu haben. Gaspard selbst ist eigentlich nur eine kleine Ansammlung einiger Bauernhöfe, aber malerisch in Hanglage und mit hübscher Steinbrücke am Flüsschen Alagnon gelegen.
Die nächstgelegene Ortschaft ist das nicht minder malerische Murat, ein mittelalterliches Städtchen mit schiefergedeckten Häusern, das sich in drei Basaltkegel einschmiegt und mitten in den Vulkanen des Cantal gelegen ist. Reizvoll befindet sich auf einem dieser Basaltkegel die alte romanische Kapelle von Albepierre-Bredons aus dem 9. Jahrhundert. Und auch eine kulinarische Spezialität hat Murat zu bieten: Das Cornet de Murat, ein Hörnchen aus knusprigem Blätterteig, gefüllt mit Sahne.

Das Cantal – Straße der Vulkane

Cantal bezeichnet heute den Namen eines der vier Départements der Region Auvergne. Vor 20 Millionen Jahren war der Cantal jedoch nicht nur ein einziger zusammenhängender Vulkan, sondern zugleich der mächtigste Europas. Durch Erosion ist bis heute eine beeindruckende Landschaft entstanden, deren höchste Gipfel der Plomb du Cantal (1.856 m), der Puy Mary (1.787 m) und der Puy Griou (1.694 m) bilden. Mit diesen nüchternen Reiseführer-Fakten im Kopf sahen wir nun in Murat neugierig auf die Wegweiser „Route des Cretes“ – Straße über die Bergkämme – und fuhren dann los über den Pas de Peyrol zum Puy Mary. Die schmale geteerte Landstraße D 680 führte durch sattgrünes Weideland, wurde zunehmend kurviger um sich schließlich in Serpentinen von Aussicht zu Aussicht zu winden. Die Landschaft lässt sich mit Worten nicht beschreiben – die ruhigen, bewaldeten Vulkankegel, das Lichtspiel aus Sonne und vorbeiziehenden Wolken, die Pflanzenwelt mit dem allgegenwärtigem Gelben Enzian, das Säuseln des Windes und ansonsten Ruhe – einfach wunderschön und atemberaubend.

Salers – Das Rothenburg der Auvergne

Salers – den Namen dieses reizenden kleinen Städtchens verbinden Franzosen sofort mit allerlei Gaumenfreuden. Ist dies doch sowohl die Heimat der rotbraunen Salers-Rinder, als auch die Wiege des gleichnamigen Käses und des Enzian-Likörs. Am Puy Mary jedenfalls zeigten Wegweiser verheißungsvoll in Richtung dieses hübschen Örtchens, das außerdem als eines der schönsten Dörfer Frankreichs ausgezeichnet ist. Die schmale kurvige Straße, die durch die sanfte Vulkanlandschaft dorthin führt, ist ein Traum und gleichzeitig eine Herausforderung an die Schwindelfreiheit. Schmaler geht’s nimmer, direkt neben der Autotür tut sich Abgrund an Abgrund auf – zum Glück herrschte auf der gut 20 km langen Strecke kaum Gegenverkehr.
Der fast komplett erhaltene Renaissance-Ort Salers ist Besucheranstürmen gut gewappnet. Direkt am Ortseingang befindet sich ein großer (gebührenpflichtiger) Parkplatz, vom dem aus man bequem in das Städtchen schlendern kann. Unser Abstecher führte zur Mittagszeit dort hin, Magenknurren stellte sich ein. Wie gut, dass wir direkt in das nette Restaurant Les Remparts gestolpert sind, das so einladend am Ortseingang lockte. Und was für ein Glück, dass sogar noch ein Tisch auf dessen Terrasse frei war. Denn ganz im Stil der regionalen auvergnatischen Küche wurde dort Entrecôte vom Salers-Rind serviert, begleitet von feinem Aligot, dem in der Auvergne zu jeder Gelegenheit gereichten Käse-Kartoffelpüree. Dazu ein Tropfen regionalen Rotweins, hinterher ein paar Häppchen Salers- und Cantal-Käse. In der Auvergne lässt es sich gut genießen!
Der anschließende Bummel durch Salers kam einem Gang durch ein Freiluft-Museum dann recht nahe. Wundervolle alte Bürgerhäuser, die überwiegend aus schwarzem Lavagestein errichtet wurden, säumen die Grand Place. Hier befindet sich auch das Denkmal für Ernest Tyssandier d’Escou, der einst aus den lokalen Rinderrassen das Salers-Rind herauszüchtete.

Das verwegene Salers-Rind

Wenn man durch die vielerlei grüntonigen, mit Gras- und Strauchwerk bewachsene Vulkanlandschaft fährt, sieht man sie überall in kleinen Herden an den Hängen kleben – wunderschöne rotbraune Rinder mit teils mächtigen Hörnern. Das ist die Rasse der Salers-Rinder. Eine eigenwillige Art, wegen der hohen Widerstandskraft ganz für das Leben in der rauen Natur der Auvergne geeignet. Sie bleiben von Frühjahr bis Herbst im Freien und dienen eher der Milch- als der Fleischgewinnung. Nur geben sie nur dann Milch, wenn ein Kälbchen gesäugt werden muss. Daher bedienen sich die Bauern eines Tricks: sie lassen zunächst das Kalb etwas trinken, schieben es dann beiseite, melken das Rind und anschließend darf der Nachwuchs den Rest trinken.

Auch Disteln schmeckenHübsches Rind mit GlockeSchief und krumme HörnerEine Gruppe von Salers-Rindern

Über die Dörfer

Das herausgeputzte Salers ist sicherlich das prominenteste Städtchen in der Gegend. Doch an malerischen alten Dörfern mangelt es der Auvergne nicht. Die aus hellerem Basalt oder dunklerem Lavagestein errichteten Häuser, Kirchen und Türmchen bilden zusammen mit der grün-hügeligen Landschaft immer wieder reizvolle Anblicke. Und so kann man auch abseits der touristischen Hauptattraktionen immer wieder auf spannende Entdeckungsreisen gehen. Da gibt es zum Beispiel das winzige Dörfchen Blesle – ausgezeichnet mit drei Blumen im Wettbewerb „Die schönsten Dörfer Frankreichs“. Es liegt höchst pittoresk am Ufer des Flüsschens Voireuse und weist schöne alte Häuser und eine romanische Kirche auf. Beim Schlendern über die Quais der Voireuse und durch die alten Gässchen fühlt man sich in längst vergangene Zeiten zurückversetzt.

Fährt man ein Stückchen weiter Richtung Norden führt die schmale Straße durch fast endlos erscheinende Hochebenen. Wenn man dort steht, den Blick schweifen lässt und nur das Sirren des Windes in den Ohren hat – ja, dann kann man schon glauben, dass sich hier oder in der Nähe das legendäre Gergovia befunden hat: der Ort, an dem der Arverner-Führer Vercingetorix Julius Cäsar eine empfindliche Niederlage beigebracht hat.

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