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Rund um Rügen per Segelyacht – hinter dem einwöchigen Törn steckte folgende Idee: für ein paar Tage Erholung, Fotografie und Segeln unter einen Hut zu bekommen. Eigentlich hatte ich mit einem Großsegler-Törn zu den Kanalinseln bzw. der bretonischen Küste geliebäugelt, wie ich ihn vor zehn Jahren schon einmal unternommen habe. Doch dazu war ich bei der Reiseplanung zu spontan und „nur“ noch für den Rügen-Törn gab es freie Plätze. Da mir früher schon Hiddensee gut gefallen hatte und ich gerne wieder in diese Gegend wollte, war mir aber auch Rügen sehr willkommen. Es war also eine Art „Mitsegel-Pauschalreise“, wie man sie bei vielen Veranstaltern buchen kann. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass es keine Segellern-Reise werden würde und der Skipper nur die notwendigsten „Handgriffe“ erklären würde. Doch gab es am Ende der Reise eine Seemeilen-Bestätigung, die man z. B. für das Erlangen von Segelscheinen gut gebrauchen kann.

Tag 1 und 2: Wiek auf Rügen

Nach der etwas mühseligen Fahrt über die baustellenreiche Autobahn A1 erreichten wir gegen 16:00 Uhr Rügen über die imposante neue Brücke. Während der Fahrt hatten wir uns schon gewundert, warum das Navi ständig „Fähren auf der Route“ ankündigte… des Rätsels Lösung war dann die Wittower Fähre, die das Rügener Kernland mit der Halbinsel Wittow verbindet und überraschend mit einer langen Autoschlange vor uns auftauchte. Nach einer angemessenen Wartezeit und der ersten „Schiffsreise“ erreichten wir dann am frühen Abend den Hafen von Wiek.

Unser Schiff war dort schnell gefunden, eine Segelyacht Bavaria 39 C namens Maximilian. Der Skipper wies uns zu unserer Freude die geräumige Kabine im Bug zu, schickte uns zum Einkaufen und ließ uns ansonsten für den Rest des Tages in Ruhe. Ein Mitsegler aus Münster war bereits an Bord, ein weiterer aus Franken gesellte sich kurze Zeit später zu uns. Zusammen sollten wir vier also für die folgende Woche die Crew der Maximilian sein.

Schnell wurde die Bordkasse eingerichtet, so dass wir die ersten Vorräte in einem unglaublich vollen und chaotischen Supermarkt einkaufen konnten. Am traditionellen Anreisetag stürmten sämtliche Segler der Umgebung den einzigen Discounter weit und breit. Zurück an Bord waren wir doch überrascht, wie viel Stauraum das Schiffchen in den unmöglichsten Ecken zu bieten hatte! Zum ersten Mal mussten wir uns auch um die später alltäglich werdenden Dinge kümmern: Liegegebühr beim Hafenmeister zahlen und Schlüssel / Code / Jetons für die sanitären Anlagen im Wieker Hafen besorgen. Nachdem diese aufregenden Sachen erledigt waren, klang der erste Abend mit einem schönen Fisch-Abendessen im Hafen aus.

Nachdem wir am nächsten Morgen Brötchen beim Hafenmeister erstanden und lecker gefrühstückt hatte, trudelte irgendwann der Skipper ein. Wir erfuhren, dass wir die Woche über „Flotille“ mit einer weiteren Yacht segeln würden, deren Skipper ausgefallen war. Bis 14:00 Uhr hätten wir Zeit, das Örtchen Wiek zu erkunden, dann würden wir eine erste Einweisung in das Boot bekommen. Anschließend stand „Manöver üben“ auf dem Wieker Bodden auf dem Programm. Wir wären gerne sofort los gesegelt, aber nun ja… warmes, sonniges Sommerwetter, der malerische Fischerort Wiek und ausreichend Cafés und Andenkenläden am Hafen, um die Wartezeit zu vertrödeln – passt schon!

Das Einsegeln war dann eine herrliche Erfrischung in der mittlerweile argen Mittagshitze! Auf dem Bodden wurde ein wenig Kurshalten im Fahrwasser geübt, ausgiebig Wenden und auch die eine oder andere Halse. Es macht schon Spaß, wenn man da so in heftiger Schräglage übers glitzernde Wasser schießt.

3. Tag: Wiek – Glowe

Der August ist der sonnigste Monat auf Rügen – zugleich aber auch der regenreichste! Und um der Statistik Genüge zu tun, musste nach dem sonnigen Wochenende der Himmel nun seine Schleusen öffnen. Das erste Mal richtig Segeln, auch noch die längste Etappe der Reise, und dann in strömenden Regen?! Wir waren gespannt! Als Bedarfsseglerin hatte ich natürlich kein professionelles Ölzeug dabei, wasserdichte Funktionskleidung, die man auch „so“ mal tragen kann, musste reichen. Hat sie auch getan, trotz mehrerer Stunden bei heftigem Regen hielt alles dicht. Nachdem zuerst alle angesichts der Nässe etwas gefremdelt hatten, hat man den Regen nach einiger Zeit nicht mehr besonders wahrgenommen. Im Gegenteil, Wind und Regen im Gesicht hatten allmählich etwas ungewohntes, erfrischendes und fühlten sich angenehm prickelnd im Gesicht an! An der Ostküste Hiddensees ging es zuerst Richtung Süden aus dem Wieker Bodden hinaus. Um die Südspitze der Insel herum segelten wir dann an der Westküste nach Norden und durch den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Fotografieren war bei dem Regen leider nicht möglich, aber die Vogelkolonien in den Untiefen bleiben auch so in der Erinnerung. Nachdem wir Hiddensee passiert hatten, wechselten wir den Kurs Richtung Osten. Ziel war es, am frühen Abend den Hafen von Glowe zu erreichen.

Und zu Regen und Wind gesellten sich dann die Wellen. Kleine Witzchen über die Seekrankheit machten die Runde. „Ach was, alles halb so schlimm, ich bin schon auf anderen Pötten gefahren!“, dachte ich mir. Die Stimme des Skippers drang an mein Ohr: „Geht es dir gut, Susanne?!“ Warum sollte es mir nicht gut gehen?! Eine wortkarge halbe Stunde. Regen, Wind… Wellen! Kleine, spitze, runde, schaukelige Wellen. Wieder der Käptn: „Susanne, halt mal deine Freundin fest!“ Ich drehe mich um, und sehe, wie sie über der Reling hängt und die Fischlein füttert. Kein Problem, danach hatte sie wieder Farbe im Gesicht… Ich jedoch fing an, mir eine leichte Übelkeit einzubilden. Ich steigerte mich da wohl in etwas hinein… „Susanne, geht es dir gut?!!“ Einen Punkt am Horizont fixieren…. wird mir schwindelig!? „Am besten hilft ruhig hinlegen!!“ Fein, ein Mittagsschläfchen wäre bestimmt nett – gerade noch unter Deck geschafft, Regenzeug ausziehen und mich über die Toilette hängen war eins. Selten ist mir so schlecht gewesen! Und das alles kurz vor dem Kap Arkona, von dem ich nun leider gar nichts gesehen hatte. Vorm Anlegen bin ich selbstverständlich wieder kernig an Deck gekommen, demonstrativ einen dicken Kanten Käse essend, aber übel war mir immer noch. Das legte sich dann erst abends nach ein paar Eiern mit Speck und einem Klaren.

4. Tag: Glowe – Sassnitz

Ein frischer neuer Tag ohne Regen! Ein hübscher Hafen mit hervorragenden Duschen, ich fühlte mich wie neugeboren. Allerdings hatten wir im Hafen an einem anderen Schiff festgemacht und mussten deshalb schon um 9:00 Uhr ablegen. Schade, das Örtchen, den Hafen und den schönen Strand hätte ich gerne etwas länger erkundet. Das Ziel für heute war Sassnitz, das wir schon gegen Mittag erreichen sollten. Leider hatten wir kaum Wind, so dass wir einige Zeit unter Diesel fahren mussten. Auch das faszinierende Kap Arkona kam noch einmal in Sicht. Imposant und interessant war die Kreideküste mit dem berühmten Königsstuhl, beides auch gut frequentiert von kleinen Ausflugsschiffen. Punkt 12:00 Uhr waren wir dann in Sassnitz und der Skipper ging wegen geschäftlicher Termine wieder von Bord. Mir war es ganz recht, denn in Sassnitz gab es einiges zu erkunden!

Einige fotografische Eindrücke von Sassnitz. Mich hat diese Kombination aus Industrie- und Tourismus-Hafen sehr angesprochen. Sassnitz wirkte auf mich, als hätte es der Ort nicht nötig, sein Gesicht zu verbergen und den Eindruck eines mondänen Seebades vorzutäuschen. Spröder, teilweise fast morbider Charme herrschte vor. Unser Liegeplatz im Stadthafen an der bröckeligen Betonmauer mit verrosteten Stahlrohren und die Aussicht auf alte Fischfabrikgebäude verstärkte diesen Eindruck. Vor allem durch Gastronomie-, Ausflugs- und Fischerboote wirkt der Hafen aber immer noch wie ein geschäftiger Fischereihafen, obwohl der Hauptbetrieb nun nicht mehr im Stadthafen, sondern im neuen Fährhafen außerhalb Sassnitz herrscht.

 

5. Tag: Sassnitz – Greifswald-Wieck

Heute sollte es quer über die Prorer Wiek und den Greifswalder Bodden bis nach Wieck /Greifswald gehen. Unser Skipper hat sich für 11:00 Uhr angekündigt und wir haben die Maximilian pünktlich klar zum Ablegen gemacht. Um 11.30 Uhr habe ich per Handy vorsichtig nachgefragt, wo er bleibt und ein dreiviertel Stündchen später konnten wir dann los. Sie mögen mir meinen leisen Unmut anmerken, denn mit dem Skipper waren wir nicht unbedingt zufrieden. Üblicherweise sollte er mit der Crew an Bord bleiben. Er nächtigte wenn es irgendwie ging, zu Hause und kümmert sich auch sonst nur soweit wie nötig um uns (trotzdem ein feiner Zug, dass er uns eine Kiste Bier spendiert hatte). Wir hatten das Gefühl, zwischen seinen Terminen herumzusegeln, was nach und nach bei allen die Stimmung etwas in den Keller sinken ließ.

Und nun wehte schon wieder nur so ein laues Lüftchen, so dass wir fast die gesamte Strecke gedieselt sind. Der Rest der Crew hatte schon Segelerfahrung, entsprechend hatten sie sich auf mehr „Segel-Action“ gefreut und waren nun entsprechend genervt und enttäuscht von den Motorfahrten. Es machte sich der Eindruck breit, dass nur wegen der anderen Termine unter Motor gefahren werden musste. Ich kann das nicht beurteilen, sicher wäre ich auch lieber gesegelt (zumal der Diesel durch die Abgase die frische Meeresbrise überdeckte), aber man muss abends auch noch zu passabler Zeit den Hafen erreichen. So haben wir uns also gemütlich bei strahlendem Sonnenschein über die Ostsee hinüber aufs Festland schippern lassen. Viel zu sehen gab es nicht, aber alles in allem war es ein ruhiger, entspannender Tag.

Nach der mittlerweile liebgewonnenen Tradition des „Anlegerbieres“ wurde der Rest des Abends noch sehr angenehm. Mit der netten schwäbischen Crew des Schwesterbootes haben wir die Fischspezialitäten der Region verkostet, lustig geschwätzt und später haben sich sogar noch ein paar Blaue-Stunde-Fotos ergeben. Wieck ist so ein ganz anderer Hafen als Sassnitz. Ein wenig wie aus dem Bilderbuch – klein, malerisch, verträumt – und mit fantastischen Duschen ohne Zeitlimit!

6. Tag: Greifswald – Stralsund

Morgenstund hat Gold im Mund! Das war mein erster Eindruck, als ich frühmorgens in Wieck einen Blick aus der Kabinenluke riskierte und das sanfte, goldene Morgenlicht erblickte. Bestes Segelwetter mit einem frischen Wind ideal für den Kurs nach Westen Richtung Stralsund. Kaum waren wir aus dem Hafen heraus, konnten schon die Segel gesetzt werden und wir hatten mächtig Spaß, mit der Alila II ein wenig Regatta zu spielen. Alle waren wieder fröhlich, die gedrückte Stimmung von gestern praktisch vom Segelwind weggeblasen. Es ist einfach nur herrlich, den Wind und die Sonne zu spüren, den Horizont zu sehen und dem leisen Knarzen des Schiffes und dem Plätschern des Wassers zu lauschen!

Stralsund lautete also unser Kurs. Normalerweise hätten wir gegen 14:30 Uhr dort im Hafen liegen können – wenn da nicht das kleine Hindernis der Strelasund-Querung gewesen wäre. Die neue Rügenbrücke ist mit ihren 42 Metern sehr hoch und kann von Segelschiffen natürlich locker unterfahren werden. Vor der Rügenbrücke gibt es aber auch noch die alte Ziegelgrabenbrücke, und als Zugbrücke öffnet sich diese nur 5 – 6 Mal pro Tag zu festen Uhrzeiten. Wir mussten also an der Insel Dänholm anlegen, um auf die nächste Öffnung um 17:20 Uhr zu warten. Das war nicht weiter schlimm, nach einem Mittagsschläfchen war Schwimmen zu Füßen der Stralsunder Volkswerft angesagt. Wirklich ein großer Spaß, so eine Perspektive beim Baden hatte ich noch nicht erlebt. Zudem war auch das Wasser mit 21° C angenehm warm, die paar blauen Flecken von der Schwimmleiter an Bord sind mir als kleine Reiseerinnerung erhalten geblieben.

Kurz vor fünf begannen wir langsam, uns auf Position für die Brückendurchfahrt zu begeben. Wir waren ja nicht die einzigen, die durch wollten und die Brücke öffnet sich nur für 20 Minuten! Es herrschte eine unterschwellig nervöse Atmosphäre, wie bei einer Regatta oder dem Start eines Pferderennens. Der Hafen (Stralsunder Citymarina) kommt gleich hinter der Brücke und verfügt nicht über beliebig viele Liegeplätze. Wer zuerst kommt, liegt zuerst! Das war toll anzusehen, wie jeder mit Pokerface an seiner Startposition schraubte, sich Meter für Meter vorzurobben versuchte…

Dann klappte die Brücke auf, aber zuerst bekam die „Gegenseite“ für 10 Minuten grünes Licht. Die nervöse Spannung an den Polepositions stieg. Nur noch wenige Minuten, dann würde auch unsere Ampel Grün zeigen. Und da ist es Grün! Und los, los, los, nur 10 Minuten Zeit! Ein Rie-sen-spaß! Das Wasser kochte förmlich vor aufgeregten Segelschiffen! Durch die enge Durchlass-Stelle in der Brücke gequetscht und weiter, los, los, los, ab in den Hafen! Und schwupp, dank der Verbindungen des Skippers dem anderen Segler den 1A-Liegeplatz vor dem Bug weggeschnappt, herrlich! Anlegen, Schnecke legen und „Plöpp“ und „Zisch“ – das verdiente Anlegerbierchen!

Und zum Abschluss noch ein paar Impressionen aus der schönen Hansestadt Stralsund:

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